Über uns das Meer - Schauplätze


Das schmiedeeiserne Tor wuchs schwarz und drohend in den frisch geduschten Nachthimmel. Scharfe Spitzen bohrten sich in die Dunkelheit, um Eindringlinge von der alten Villa fernzuhalten.

Eindringlinge wie mich.

 

Als Lou nach Italien kommt, will sie nur eines: frei sein. Noch eine halbe Stunde bis Mitternacht, bis zu ihrem 18. Geburtstag, bis zur endgültigen Freiheit - glaubt sie. Doch Lou ist nicht allein ...

 

„Wenn du fliehst“, hörte ich die Stimme aus der Dunkelheit, sacht, glühend, wie die Kerze, ein akustisches Leuchten, „kommst du dir vor wie ein Held. Unbesiegbar. Dann wird auf einmal alles leer, und du fragst dich, warum du eigentlich abgehauen bist. Landest vielleicht voll in der Scheiße und bereust alles, was du je gemacht hast. Bis du merkst, die Geister in deinem Kopf, vor denen du wegläufst, sind alle mitgekommen.“


Das Meer hatte seine blaue Farbe wiederbekommen und die Sonne funkelte auf den Wellen. Genau so hatte ich diesen Ort in Erinnerung, nicht grau und trüb und verlassen, sondern voller Sonne und strahlendem Leben. Alles fühlte sich plötzlich so richtig an: hier zu sein, mein altes Leben hinter mir zu lassen. Ich zu sein.


Er stoppte wenige Meter unter mir, eine Hand lose am Seil, und verharrte dort, die Augen geschlossen, das Gesicht nach unten gewandt, zur dunklen Seite des Meeres. Er stand reglos wie eine Statue und seine Haare waberten schwarz und weich um seinen Kopf, und ich musste an diese Geschichte denken, die ich einmal gehört hatte, die Geschichte von den Meerjungfrauen, die am Grund der See warteten, um einen für immer mit sich zu nehmen – da hob er plötzlich den Kopf und sah mich an.


Elba ist eine Insel im Tyrrhenischen Meer und gehört zur Toskana. Als Schauplatz für eine Geschichte rund um das Apnoetauchen ist sie perfekt, denn Jacques Mayol ("The Big Blue") tauchte dort als erster Mensch ohne Atemgerät über 100 Meter tief.  


Für Lou bedeutet Elba Zuflucht, ein Stückchen Heimat und Geborgenheit, obwohl der einzige Mensch, der ihr je dieses Gefühl geben konnte, nicht mehr da ist. Viele Sommermonate hat sie hier verbracht, ist ins Bergdorf Capoliveri hochgeradelt oder mit Marco heimlich nachts an den Strand abgehauen. Die Lacona-Bucht mit ihrem breiten Sandstrand kennt sie nur flüchtig - genauso wie die Geschwister Pat und Ella, die in ihrer Tauchschule "Dive-in" einen atemlosen Plan verfolgen ...



Barfuß folgte ich den Steintreppen bis zur Wasserlinie. Ganz unten hockte ich mich auf die letzte Stufe, nur wenige Handbreit über dem glucksenden Meer, und streckte einen Fuß hinein. Das Wasser rann kalt und kristallklar durch meine Zehen. Jeder, der sich vom Meer aus näherte, würde mich sehen können. Falls, nur falls tatsächlich jemand kam.


Ich lief die verwinkelten Gassen hinauf, durch die blassgoldenes Sonnenlicht sickerte. Nur wenige Menschen waren um die Zeit zwischen den terrakottaroten Häusern unterwegs, die so dicht beieinanderstanden, als müssten sie sich aneinander festklammern. [...] Alle paar Schritte bildete die Häuserwand ein Fenster oder teilte sich vor einer schmalen Steintreppe, sodass man dann das Meer unter dem Morgendunst sehen konnte.